Der Schwund kündigte sich an. Dass es so knapp würde, das hat aber wohl kaum jemand kommen sehen. Am 13. Mai 2022 war Landtagswahl in NRW und die FDP hat nur knapp die fünf Prozent Hürde genommen. Das ist bitter für die FDP, denn man kam von über zwölf Prozent.
Wie kommt’s? Was ist passiert? Am Ende des Tages weiß ich das auch nicht, habe aber eine Meinung. Generell macht es für die FDP einen Unterschied, ob Christian Lindner als Zugpferd einer Kampagne fungieren kann oder nicht. Joachim Stamp wird immer blasser in der Aussenwirkung bleiben. Das ist leider so. Wenn der Spitzenkandidat nicht so strahlt wie einst, dann wäre es natürlich klug, den Rest der Liste mit Personen zu besetzen, die – im positiven Sinne – als Charakter wahrgenommen werden.
Yvonne Gebauer war auf Platz zwei der Landesliste. Immerhin direkt eine Frau. Blöd nur, dass Gebauer Bildungsministerin der letzten Landesregierung war und nicht sonderlich beliebt ist – Aus Gründen. Das ist nicht nur meine Vermutung, Frank Schäffler (FDP Bezirksvorsitzender OWL) stößt im Newsletter an die FDP Mitglieder nach der Wahl ins gleiche Horn. Dann kommt noch Angela Freimuth auf Platz fünf und bis Listenplatz 12, soweit hat die Liste gezogen … sind es nur Männer. Also sind nur 1/6 der FDP Mitglieder des kommenden Landtages Frauen.
Es könnte also etwas mit mangelnder Repräsentation zu tun haben. So haben auch wesentlich weniger Frauen die FDP gewählt als Männer. Davon ab, eventuell wollen Männer auch einfach nicht nur von einer Männer-Riege vertreten werden. Das Fass mit der Qualifikation für die Liste mache ich erst gar nicht auf. Weil ich das nur für begrenzt tauglich halte.
Die Bundespolitik wird auch immer mitgewählt bei einer Landtagswahl und da hat es sich eventuell auch nicht ausgezahlt auf Gedeih und Verderb gegen ein Tempolimit von 130 Km/h auf deutschen Autobahnen zu sein. Oder einen Freedom Day zu fordern, auch protegiert von Joachim Stamp. Plus, das Debakel Gebauer und ihrem Pandemie-Management in den Schulen. Anekdotische Evidenz: Ich kenne keine Eltern, die dafür Verständnis hatten. Wenn ich gerade schon bei der Bundespolitik bin: Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck werden von Vielen momentan sehr positiv wahrgenommen. Das hat höchstwahrscheinlich auch auf das Ergebnis der Grünen eingezahlt. Ob sich die Beliebtheit der Beiden negativ für die FDP ausgewirkt hat, das weiß ich nicht, aber auszuschließen ist das nicht.
In meinen Augen positiv für die FDP ist, dass ca 12 % der Menschen unter 30 Jahren in NRW die freien Demokraten gewählt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass neben den klassischen Gründen (wie z.B. größtmögliche Eigenverantwortung), warum man die FDP wählt auch das Versprechen Kiffen zu entkriminalisieren gezogen hat. Mein Gedanke war, wenn wir Wahlrecht ab 16 hätten und damit aktuelle Schülerinnen und Schüler hätten wählen dürfen, wäre die FDP eventuell schlechter weg gekommen. Turns Out, auch dort hätte sie ungefähr bei 12 % gelegen, jedenfalls war das bei der U18-Wahl so.
Es war kein singulärer Grund, dass die FDP fast an der fünf Prozent Hürde gescheitert ist. Was ich für gut empfinde. Denn eventuell regt es parteiintern die Diskussion über den Umgang mit Covid–19 und den zum Teil gravierenden persönlichen Folgen an. Eventuell trägt man „Freie Fahrt für freie Bürger“ nicht mehr wie eine Monstranz vor sich her oder denkt darüber nach ob der Tankrabatt keine so gute Idee war und eventuell werden die vorderen Plätze der Landesliste in Zukunft nicht mehr nur so spärlich mit Frauen besetzt.
Mir ist klar, dass da Frauen auch Bock drauf haben müssen und deren Kreis- und Bezirksverbände. Ich habe mich lange genug in der FDP aktiv engagiert, um zu Wissen, dass man in seiner Freizeit durchaus mit menschlichen Vollkatastrophen an einem Tisch verbringen muss und das will nicht jede/r. Kann ich durchaus verstehen. Politik findet für die allermeisten in ihrer Freizeit statt, da will man tendenziell etwas Schönes machen, aber sich mindestens nicht über Idioten in den eigenen Reihen aufregen.
Wir werden sehen wie es für die FDP bei der nächsten Landtagswahl in NRW in fünf Jahren aussieht. Als Erinnerungshilfe für die Zeit im ca. Mai 2027 habe ich diese Zeilen geschrieben.
P.S. Das Beitragsbild zeigt ein Wahlplakat von meinem Freund Marc Lürbke in Paderborn. Sein Wahlergebnis lag etwas über dem Landesschnitt. Er wird dem nächsten Landtag angehören.