Erstveröffentlichung am 15.8.21 auf Medium
In der Regel ist Stadt- und Verkehrsplanung in meiner Wahrnehmung eine eher konservative Angelegenheit. Auftretende Belastungen sollen gedämpft oder beseitigt werden. Total nachvollziehbare Handlungsweisen. Gibt es immer wieder an einem Ort einen Autostau, verbessert man die Ampelschaltungen, man überlegt sich Umleitungen oder baut neue Straßen, Tunnel, Brücken. Ein legitimes Vorgehen. Wenn man den Status Quo optimieren will.
»Dress for the party you want, not for the party you have.« Dieser Satz, aus dem Clubkontext entlehnt, spiegelt sich auch in der aktuellen Entwicklung vieler Städte wider.
Allein, das hilft nur den Konservativen. Denen, die möglichst wenig Veränderungen wollen. Wie gesagt, ein legitimes Ziel und oft auch nicht verkehrt.
Bloß was ist, wenn eine Zeit anbricht, in der die Verwaltung des bekannten Verkehrsgeschehens eine Stadt nicht mehr weiter bringt? Weil sich die Menschen ändern, weil sich externe Faktoren ändern? Dann müssen sich Städte ändern. Die gute Nachricht: Städte können sich nicht nur ändern, sie tun es bereits. Und damit ändern Städte auch ihre Einwohner:Innnen. Sie ändern Dich. Weil Du die Stadt anders nutzen kannst, wirst oder auch musst.
Es ist wie in der Gaußschen Normalverteilung. Manche Städte, respektive die Verantwortlichen dort, gehen voran und es geschehen Dinge, die bis vor kurzer Zeit noch unmöglich schienen. Man muss sich das klar machen, nur weil wir in einer Zeit leben, in der PKW (und LKW) allgegenwärtig sind — das war logischerweise nicht immer so.
Vor 100 Jahren gab es das noch nicht. Städte haben sich angepasst, weil Menschen an motorisiertem Verkehr gefallen gefunden haben und sich das die breite Masse auch irgendwann leisten konnte. Und weil der Wohlstand seit Jahrzehnten zunimmt, gibt es auch einfach mehr Autos auf den Straßen.
Anekdotische Evidenz: In meiner Kindheit konnten wir vor dem Haus meiner Eltern noch ohne Probleme auf der Straße (eine Sackgasse) Abwerfen spielen. Es parkte kaum ein Auto auf der Straße, wenige Autos fuhren vorbei. Heute gibt es kaum einen Moment, wo die Straße nicht auf einer Seite zugeparkt ist. Das macht Spielen auf der Straße unmöglich. Zur Wahrheit gehört auch, dass in der Straße neue Häuser gebaut wurden. Die haben für jede Wohnung einen Parkplatz. Bloß, es gibt mehr als ein Auto pro Wohnung und die Leute, die die Straße runter in Mehrfamilienhäusern wohnen, haben jetzt auch vermehrt Autos. Und machen wir uns nichts vor, zugeparkte Straßen machen die Umwelt nicht lebenswerter.
Du bist so schön wie Asphalt — said no one ever
Städte müssen sich verändern. So wie sie jetzt beschaffen sind, können sie aufgrund des sich wandelnden Klimas nicht bleiben. Es müssen weniger Abgase produziert und versiegelte Asphaltflächen gegen solche ersetzt werden, die mehr Wasser aufnehmen können und nicht so schnell erhitzen. Deshalb müssen auch mehr Bäume gepflanzt werden. Die sorgen nämlich nicht nur für bessere Luft und sind Schattenspender für Mensch und Tier, sie schützen durch Ihr Blattwerk auch den darunter liegenden Boden vor Erwärmung, ergo dort wo Mensch und und einige Tiere leben.
In meiner Wahrnehmung passiert es in den seltensten Fällen, dass für die Stadtentwicklung Verantwortliche, eben die Politiker und Politikerinnen, mitten in ihrer Amtszeit merken, dass sich dringend etwas ändern muss … und das dann auch gemacht wird. Einschneidende Änderungen gibt es deshalb oft erst nach Wahlen.
Wenn Bürgerinnen und Bürger sich für progressive Kandidatinnen und Kandidaten entscheiden, dann macht das einen Unterschied. Und wie die Wiederwahl von Anne Hidalgo (der Bürgermeisterin von Paris) zeigt, gerade Bürger und Bürgerinnen einer Großstadt scheinen oft den Status Quo (oder Status Quo Ante der Wahl) satt zu haben. Sie wollen Veränderung, sie wählen Veränderung. Das ändert die Stadt und die Stadt ändert dich. Das kann wohl jede nach Berlin zugezogene Person bezeugen.
Wir alle werden nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels erleben, wir werden auch erleben, dass sich unsere Städte ändern. Die Progressiven zuerst, die Konservativen später. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich das massiv auf die Lebensqualität auswirkt. Wo in Stadt A sich noch Autos stauen, stehen diese in Stadt B schon in Quartiersparkhäusern. Es wird wesentlich mehr mit dem Fahrrad oder auch mit Fortbewegungsmitteln aus der Sparte New Mobility gefahren.
Und auch wenn das für Einige ein Wandel wird, der für sie persönlich zuerst unbequem ist, auf Dauer werden alle Stadtmenschen davon profitieren.