Thema Tempolimit

Erstveröffentlichung am 8. Februar 2019 auf Medium

Momentan wird wieder das Tempolimit auf deutschen Straßen diskutiert. Ich vermute, dass von diesem Thema jede/r irgendwie berührt ist.

Ich persönlich fühle mich melange-mäßig als westfälischer Europäer. Ich lebe vorwiegend in Westfalen — meine aber für einen Westfalen, der oft sehr Heimatverbunden ist, häufig „raus“ zu kommen. Mit dem Auto, mit der Bahn, mit dem Flugzeug.

Wenn ich mit dem Auto in andere Länder reise, dann erfahre ich unweigerlich ein Tempolimit. Keine freie Fahrt mehr für freie Bürger. Bin dort ja auch nur Besucher und kein Bürger. Ich muss allerdings sagen, mit Tempolimits fährt es sich ganz gut auf Autobahnen. Wenn man durch Belgien fährt, kommt noch die flächendeckende Autobahnbeleuchtung dazu — wow, ist das ein entspanntes Autofahren. Wenige Idioten drängeln, aufgepasst werden muss natürlich immer noch, man bewegt ja trotzdem ca. 1–2 Tonnen Auto mit 120 km/h durch die Gegend, aber man weiß: Wenn sich alle einigermaßen an die Regeln halten, kommt jetzt keiner mit 230 Sachen von hinten an und man kann den LKW noch entspannt überholen, ohne dass das Auto im Rückspiegel wegen mir abbremsen muss. Das hat schon was.

Ja, man kommt mit Tempolimit tendenziell natürlich später an Punkt B an. Verbraucht aber auch nicht so viel Sprit. Klar, manche müssen es nicht zahlen oder scheißen aufs Geld, just sayin‘. Manche haben auch wirklich knappe Termine und können nicht eher los fahren. Kommt alles vor.

Jetzt zum Knackpunkt: Würde ich bei einer Volksabstimmung für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen stimmen? Nein.

Ich persönlich fühle, dass ein Tempolimit ganz ok wäre. Es ist nicht der Untergang des Abendlandes, wie man so schön sagt. Resteuropa beweist es. Frankreich ist immer noch die Grand Nation, die Briten brüten immer noch ihren Brexit aus und in Italien wird das Dolce Vita gelebt, plus Hupen in engen Kurven und bei Spurwechsel. Was ich sagen will: 200 km/h auf der Autobahn fahren zu dürfen, macht nicht das Selbstverständnis eines Volkes aus.

Warum bin ich trotzdem gegen ein generelles Tempolimit? Aus ähnlichen Gründen, warum man in Deutschland, mehr oder weniger ungehindert, Alkohol und Tabak konsumieren kann. Jetzt mag dem/der einen oder anderen das Argument in den Kopf kommen: Aber damit gefährdest Du nur dich selbst. Mit 1–2 Tonnen Auto gefährdest Du auch andere im Straßenverkehr. Ja, das stimmt, doch mir kann niemand erzählen, dass nicht auch die Gewalt im Land abnehmen würde, wenn man Alkohol stärker reguliert. Und passives Rauchen ist auch rauchen.

Gesellschaften, bzw. Ihre politischen Vertreter*Innen, entscheiden sich in vielen Belangen für und gegen Dinge, die auch die Gefahr von Leib und Leben betreffen.

Teilweise ohne Tempolimit auf Autobahnen fahren zu dürfen, ist eine dieser Entscheidungen. Die kann man noch stärker beschränken und es würde sicher zu weniger Toten führen, die Kausalität ist wohl unbestritten. Müssen wir aber nicht, wenn wir auch in Zukunft den Preis einiger hundert Verkehrstoten im Jahr zahlen wollen.

Generell verstehe ich auch nicht ganz, warum sich die aktuelle Diskussion nur ums Tempolimit auf Autobahnen dreht. Warum wird das Thema Unfälle und ihre Ursachen, im motorisierten Straßenverkehr nicht breiter diskutiert?

Junge Fahrer*Innen sind, nach wie vor, im Vergleich häufiger an Unfällen beteiligt und alte Fahrer*Innen verwechseln wohl häufiger Gas und Bremse als 40 jährige.

Warum dürfen trotzdem 18 und 88 jährige alleine, bzw. überhaupt Auto fahren? Weil wir als Gesellschaft Ihnen die Mündigkeit zusprechen, sich verantwortungsvoll im Straßenverkehr zu bewegen.

Darunter werden immer Menschen sein, die sich und Situationen im Straßenverkehr falsch einschätzen. Das kann man kaum abstellen. Ein jede/r selbst muss das zu allererst mit sich ausmachen, es sei denn, Fahrerlaubnisse werden begründet durch den Staat entzogen. Wir könnten das als Gesellschaft wollen, dass Omi und Opi nicht mehr Auto fahren oder dass junge Menschen etwa nur gedrosselte Autos fahren dürfen — starke Motorräder werden für junge Fahrer*Innen ja auch erst gedrosselt.

Wir könnten auch regelmäßige Nachschulungen von allen Führerscheinbesitzer*Innen wollen, schlecht wäre das nicht. Oder weißt Du, wie genau Du dich mit dem Auto bei der Querung von aufgemalten Fahrradspuren an der Straßenseite zu verhalten hast? Ich persönlich habe das nicht in der Fahrschule gelernt, die gab‘s damals nämlich quasi noch gar nicht.

Nachschulung, Drosselung, öfter Fahrerlaubnisse entziehen, weil Personen nicht mehr Herr/Frau ihrer Sinne sind — das wäre alles möglich, das würde auch Menschenleben retten, aber alles dreht sich momentan ums Tempolimit auf Autobahnen, wo eh schon durch staatliche Stellen reguliert wird, ob man da überhaupt in Betracht ziehen kann, Leute mehr als 130 km/h fahren zu lassen.

Den Umwelt-Aspekt thematisiere ich hier übrigens nicht, weil er vielleicht Mitauslöser der Diskussion ums Tempolimit war, mir aber zu marginal erscheint, als dass er einen wirklichen Impact aufs Klima hätte. Zumal wir in naher Zukunft eh wesentlich weniger klassische Verbrenner und dafür mehr elektrische KFZ fahren werden.

Das Fehlen eines generellen Tempolimits ist eine gesellschaftliche Diskussion, die als Kern Verkehrstote hat. Wenn wir in Deutschland über zu viele Verkehrstote reden wollen, lasst es uns breiter tun, lassen wir die Monokausalität Tempolimit beiseite — es ist ein Punkt, aber einer von vielen.

Lasst uns doch lieber gucken, wie wir dem Ziel, dass möglichst wenige Menschen im Straßenverkehr durch Autos und LKW sterben, näher kommen.

Mfg,

Wolfram

P.S. Wenn ich mir den Text heute (im April 2022) durchlese, stehe ich immer noch hinter den Kernaussagen. Bin mit meiner Meinung aber etwas weiter Richtung pro Tempolimit gewandert. Einfach weil das Fahren mit Tempolimit so viel entspannter ist. Viel mehr treibt mich mittlerweile die Frage um, wie Tempolimits in Städten der Jetztzeit angepasst werden und ob Pedelecs nicht vielleicht 30 Km/h fahren dürfen sollten. Aber das werde ich vielleicht mal in einem anderen Blogpost zum Thema nehmen.

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